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Gewerkschaften sind „politische Vereine“ und verlieren an Rückhalt

von Stefan Del Fabro
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Der 1. Mai ist der «Internationale Tag der Arbeit». Es ist der Tag der Gewerkschaften. Und Gewerkschaften sind – was viele vielleicht gar nicht wissen – Vereine. Innerhalb der Welt der Vereine haben Gewerkschaften einen Sonderstatus – denn sie sind politische Vereine. Das ist für Vereine eigentlich ungewöhnlich. 

Weshalb büssen Gewerkschaften ein?

«Der Verein ist politisch und konfessionell neutral.» Dieses an sich banale Sätzchen findet sich in fast jedem Statut, in jeder Satzung eines Vereines. Nicht so bei Gewerkschaften. Die sind von ihrer Ausrichtung her politische Vereine und lassen diesen Passus natürlich weg.

Darum zuerst zum Eigenbild. Wie bezeichnen sich Gewerkschaften? Wir machen den Querschnitt durch diverse Online-Auftritte. Unsere Auswahl ist zufällig:

Kämpfe und Sorgen zum Thema Arbeit

Sozial. Gut. Fair Gerecht. Solidarität. Diese Schlagworte fallen auf. Das politische Engagement hingegen wird kaum betont. Zufall? Vielleicht.

Es könnte aber auch einer der Gründe sein, warum Gewerkschaften nicht mehr boomen. «Als 2020 das Jahr des Coronavirus wurde, hätte man erwarten können, dass es auch das Jahr der Gewerkschaften würde.» Das schrieb die Süddeutsche Zeitung im Februar 2021: «Fast alle grossen deutschen Gewerkschaften haben Mitglieder verloren – trotz all der Fragen, Sorgen und Kämpfe zum Thema Arbeit.»

Dieser Trend ist nicht neu. Noch anfangs der 1990er waren fast 12 Millionen Menschen Mitglieder im deutschen Gewerkschaftsbund DGB. Bis 2019 schrumpfte diese Zahl auf die Hälfte. 

Auch die Schweizer Gewerkschaften sind davon betroffen. Ende 2019 zählte der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB 337‘114 Mitglieder. Gegenüber dem Vorjahr war das ein Rückgang von fast 2 Prozent. Als Grund gibt der SGB an, «dass in zahlreichen Branchen, in denen die SGB-Verbände viele Mitglieder haben, die Zahl der festangestellten Mitarbeitenden zurückgeht.»

Die ersten Vorkämpfer waren Handwerker

Die Geschichte der Gewerkschaften geht in die 1830er Jahre zurück. Damals waren unsere Fabriken eher das, was man heute aus China kennt. Auspressungsstätten von Menschen. Kein Wunder lehnten sich die Arbeiter auf. Erstaunlicherweise aber waren es nicht die Ärmsten der Armen, die zu Vorkämpfern für eine Arbeiterorganisation wurden. Tagelöhner und Heimarbeiter fehlte das Selbstbewusstsein oder die finanziellen Möglichkeiten, für eine Organisation zu kämpfen. Es waren zuerst Handwerksgesellen, die zu Trägern des Organisationsgedankens wurden.

Der willkommene, arbeitsfreie Tag

Nun steht der 1. Mai vor der Türe. Der internationale Tag der Arbeit wird von den Gewerkschaften jährlich zelebriert. Die Finanzstadt Zürich zum Beispiel hat ein eigenes «1.-Mai-Komitee». Dieser Verein vereint mehr als 50 politische Organisationen. 

Der Ursprung liegt in den USA: Dort streikten am 1. Mai 1886 in mehreren Städten 400’000 Arbeiter. Sie verlangten die Einführung eines Acht-Stunden-Tags. 

Der „Tag der Arbeit“ oder auch „Labor Day“ ist heute in vielen Ländern der Welt ein gesetzlicher Feiertag. Während sich in Europa der 1. Mai durchgesetzt hat, wird der „Labor Day“ in den USA im September gefeiert. 

Als Kampftag für Arbeitnehmerrechte hat der „Tag der Arbeit“ allerdings an Bedeutung verloren. Für viele von uns ist er «nur» noch ein willkommener, arbeitsfreier Tag. Doof nur, fällt der 1. Mai 2022 ausgerechnet auf einen Sonntag

Bist du in einer Gewerkschaft? Wie nimmst du die Arbeit dieser «politischen Vereine» wahr? Schreib über deinen Einsatz als GewerkschafterIn. 

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