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Last Christmas sass ein Igel vor der Tür

von Stefan Del Fabro
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Drei Weblinge sitzen am Fenster und schauen in den Garten. «Soll ich Euch die Weihnachtsgeschichte vom Igel erzählen»? fragt der Zipfelmützen-Webling. «Gern», antworten der Schneemann- und der Feier-Webling.

«Es war einmal ein Igel», beginnt Zipfelmütze

Der Igel war noch jung und auf der Suche nach einem Winterquartier. Wenn es kälter als 15 Grad wird, wird jeder Igel müde und es wird Zeit für seinen Winterschlaf.

Wie bei Igeln üblich, frass sich auch unser kleiner Kerl im Spätherbst ein Fettpolster an und suchte dann einen geeigneten Schlafplatz. Sein Winterschlaf ist vorbei, wenn die Temperatur wieder konstant über 15 Grad liegt. Was viele nicht wissen: etwa alle 30 Tage wacht der Igel kurz auf. So auch unser Freund.

Doch diesmal schlief er nicht wieder ein. Es war nicht etwa ein ungewohnter Wärme-Einbruch, der ihn wachhielt. Seine feine Nase erschnupperte einen fremden, aber dennoch leckeren Duft. Vanille und Zimt. Zwar ist der Igel nicht so der Gemüse-Fresser. Er mag lieber Schnecken oder Käfer.

Was der Igel in einer Christbaumkugel sieht…

Der Igel kroch unter seinem Laubhaufen hervor. Eine Mischung von Düften, Geräuschen und ungewohnt hellen Lichterketten lockten ihn aus seinem Versteck.

Dass diese Tage «Weihnachten» heissen, wusste der Igel zwar nicht. Aber er bemerkte, dass etwas in der Luft lag. Aus den Häusern strömten ungewohnte Düfte, an vielen Fenstern hingen Lichter. Dieses Funkeln konnte er mit seinen mittelmässigen Augen gerade noch so wahrnehmen.

In den Zimmern erblickte der Igel geschmückte Bäume. Das wunderte ihn etwas und er blieb stehen, um einen besonders prachtvollen verzierten Baum zu bestaunen. Die Christbaum-Kugeln erinnerten ihn an feine Schneckenhäuser, die eingepackten Schoko-Figuren an dicke Würmer.

Ein Jaulen auf hoher Frequenz

Aus den Häusern ertönten manchmal ungewohnte Stimmen. Der Igel war sich gewohnt, dass sich die Menschen in einem für seine Ohren unangenehmen Zack-Zack unterhielten. Doch nun tönte es anders. Liebevoller. Für die Igel-Ohren war es wie ein Jaulen auf einer höheren Frequenz. Die Menschen jaulten «Oh Tannenbaum» oder «Last Christmas». Die Musik gefiel dem Igel und er wippte in einem stacheligen Rhythmus mit.

In seiner verträumten Wipperei übersah der Igel, dass er direkt ins Wohnzimmer der Familie Lindgren getrippelt war. Die Lindgrens hatten die Tür zum Garten einen Spalt offen gelassen. Der Igel wippte verträumt und purzelte unter den geschmückten Weihnachtsbaum der Lindgrens. Dort fand der Igel ein neues Nest. Sein Tänzchen hatte ihn müde gemacht. Also rollte er sich zusammen und schlief zwischen zusammengeknülltem Geschenkpapier schnell wieder ein. Für den kleinen Igel füllte sich das genauso kuschelig wie altes Laub an. 

Schöne Bescherung für die Lindgrens.

Einige Tage nach der Bescherung räumten die Lindgrens auf. Prompt verletzte sich Frau Lindgren an den Igelstacheln, als sie das Geschenkpapier wegräumen wollte. Sie zuckte zurück und sog sich einen Blutstropfen vom Finger.

Die Magie der Last Christmas-Nächte

Die Lindgrens entschieden, den Igel unter ihrem Baum im Geschenkpapier schlafen zu lassen. Aber sie stellten das Bäumchen mitsamt dem Papierknäuel und dem darin selig schlafenden Igel in den Garten.

Als der Baum nach einigen Wochen nur noch ein trauriges, nadel-loses Holzskelett war, streiften die ersten warmen Frühjahrs-Sonnenstrahlen über das Papierknäuel. Der Igel erwachte und schaute sich staunend um. War er nicht in einem Laubhaufen eingeschlafen und nun in einem Papierknäuel erwacht? Ob diese Transformation etwas mit der Magie der Zimt- und Last Christmas-Nächte etwas zu haben, fragte sich der Igel und trippelte davon.

Bis heute sind die Lindgrens sicher, dass sie seither an jeder Weihnachten Besuch vom Igel kriegen. Er drückt sein Näschen wie zum Dank kurz an die Scheibe der Terrassentür. Wenn man genau hinschaut, scheint er sogar eine Art Tänzchen zu machen. Danach verschwindet er wieder in der Nacht.  Und wenn der Igel nicht gestorben ist, tut er dies bis heute…

Kommt her und schaut…

Frohe Feiertage wünschen dir die Weblinge. Ob mit oder ohne Igel. Geniess die Tage.

«Stimmt diese Geschichte auch?», fragt der Schneemann-Webling. Der Zipfelmützen-Webling zieht nur vielsagend eine Augenbraue hoch. „Es war einmal ein Igel“, sagt er nur und deutet zum Fenster.

Der Feier-Webling deutet ganz aufgeregt nach draussen und ruft begeistert: «Kommt her. Schaut. Ein Igel».

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